...oder ĂŒber eine Amerikanische EinbĂŒrgerungszeremonie, das japanische KirschblĂŒtenfest und einen Alltag mit Lernen und Arbeiten.

Seit meinem letzen Eintrag sind bereits 1œ Wochen vergangen, frage mich gerade, wo die Zeit bleibt. Mir kommt es so vor, als ob ich eben noch auf dem Fest im Dolores-Park mit den verrĂŒckten Schwestern gewesen bin, doch wums sind schon wieder 10 Tage vorbei.
Na, ein groĂer Teil der Zeit geht gerade wirklich fĂŒrs Lernen drauf. Das nicht nur tagsĂŒber, sondern teilweise auch abends. Einerseits will ich voran kommen, andererseits fesselt es mich auch gerade.

So richtig kann ich das gar nicht erklĂ€ren, was mich daran begeistert. Wenn ich bewusst drĂŒber nach denke, fĂ€llt mir auch nichts Gutes dazu ein. Programmieren ist eigentlich eher langweilig. Aber dann eben doch nicht. Aus der Video-Schulung, die ich mache, habe ich mir sozusagen meinen eigenen Workshop gebastelt.
Ich habe mir drei Tage lang die Schulung angeguckt, irgendwann aber angefangen, nicht mehr nur die Videos zu gucken und die Ăbungen zu machen, sondern habe ein kleines Projekt angefangen, das ich jetzt einfach mit FLEX programmiere, ohne die Sprache zu können. Nun denn, das ist einfach so, wenn man das Grundprinzip vom Programmieren einmal verstanden hat, kann man im Grunde jede Programmiersprache lernen. Man lernt nicht das programmieren neu, es gehtâs eher darum, die Möglichkeiten von FELX kennen zu lernen, und wie die einzelnen Befehle heiĂen, wie man die anwendet, kennt man aus anderen Sprachen. Das ist irgendwie wie autofahren, man lernt nicht mit jedem neuen Auto das fahren von vorne, sondern muss sich nur an die anderen Knöpfe und Hebel und das neue FahrgefĂŒhl gewöhnenâŠ

Und ich merke, auch wenn das Lernen in nur ganz kleinen Schritten voran geht, wie gut mir das tut. Es erinnert mich ein wenig an die Zeit nach meiner IT-Schulung bei SIEMENS oder die AnfĂ€nge meiner SelbstĂ€ndigkeit. Das waren jeweils Zeiten, in denen ich mich auf eigene Faust nach vorne bewegen musste, um die Möglichkeiten auszuschöpfen, die mir geboten wurden. Ich habe das GefĂŒhl, die neue Programmiersprache wird mir neue TĂŒren öffnen, und neue Aufgaben fĂŒr meinen Arbeitsalltag bringen. Seit vier Jahren mache ich nun im Grunde immer das gleiche. Klar, ich denke, meine QualitĂ€t der Arbeit ist sicher besser geworden, aber es wiederholt sich eben alles. Und ich merke, dass ich dann anfange, mich zu langweilen. Nicht weil es langweilig ist, sondern weil scheinbar irgendwas in mir immer neue Reize haben will. Und das ist auch gut so. Ich glaube, sich diesem Trieb hinzugeben ist sicher nicht die schlechteste Sache.

By the way, wahrscheinlich habe ich mit Amerika sicher einer der gravierendsten neuen Reize gesetzt

. Aber weg davon â ĂŒbers Programmieren zu schwafeln ist wahrscheinlich jetzt richtig langweiligâŠ
Letzen Mittwoch hatte ich die Gelegenheit, mit anzuschauen, wie die Leute hier zu Amerikanern gemacht werden. Ganz faktisch, wie lĂ€uft das ab, wenn jemand Ami wird?!? Karl-Heinz lebt seit ĂŒber 30 Jahren hier und sortiert sich gerade fĂŒr seinen Ruhestand.

Ich finde es sehr spannend zu beobachten, wie jemand seine selbstÀndige Arbeit aufgibt, bzw. in Formen wandelt, damit nun mit 72 wirklich sowas wie die Rentenzeit beginnt. In der Vorbereitung auf diesen Abschnitt hat er sich auch entschieden, Amerikaner zu werden, damit er nicht Gefahr lÀuft, irgendwann Probleme mit der Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen.

Auch wenn er den deutschen Pass behĂ€lt â was seit 2000 möglich ist, und sich erst seit dem viele Deutsche entschieden haben, Amerikaner zu werden â ist fĂŒr ihn ziemlich klar, dass er nie mehr nach Deutschland zurĂŒck geht. Er ist hier zu Hause, hat bald die HĂ€lfte seines Lebens hier verbracht, er sagt selber âAmerika war so gut fĂŒr ihnâ, dass er jetzt den US-Pass haben möchte.

Den Test fĂŒr die EinbĂŒrgerung hat er vor ein paar Wochen abgelegt, am letzen Mittwoch war es dann soweit. Die âNaturalizationâ, also das StaatsbĂŒrger-Werden wurde im
Paramount-Theater in Oakland zelebriert. Ebenfalls, Àhnlich wie das Castro-Theater, ein gigantisches GebÀude, und wie
WIKI schreibt, eines der gröĂten Mehrzweck-Theater an der WestkĂŒste aus dem Jahre 1931. Offiziell wird das Theater zu diesem Zweck in einen Gerichtssaal verwandelt. Mit der Ausnahme, so wie der sich durch seine Moderation kalauernde Herr um die 60 anmerkt, hier darf richtig viel fotografiert werden, was im Gericht verboten sei.

Ebenfalls bittet er darum, dass alle Handys ausgeschaltet werden. Er selbst sagt, er mĂŒsse seins jetzt einschalten, falls der PrĂ€sident anruft, mit der augenzwinkernden Bemerkung âWissen Sie, der ist ja noch neu, der hat noch viele Fragenâ

Nun denn, er findet seinen Humor auf jeden Fall richtig gut, aber er schafft es in der Tat, diesem letzt endlich juristischen Akt sowohl eine Lockerheit als auch eine gewisse Festlichkeit zu verleihen. Und schafft es spĂ€ter in sieben verschiedenen Sprachen, dabei auch chinesisch und russisch, und auch mit mehr als einem â
Ni haoâ die Leute als StaatsbĂŒrger zu begrĂŒĂen.

Es wurden an diesem Vormittag knapp 1000 Leute aus 102 LĂ€ndern zum amerikanischen StaatsbĂŒrger. Alle LĂ€nder wurden aufgerufen, die AnwĂ€rter aus dem Land mussten dann aufstehen. Auch Jubelrufe waren ausdrĂŒcklich erwĂŒnscht. So gab es laute Jubelrufe, als Mexico oder China genannt wurden. Bei manchen leisere Rufe. Auch Irak wurde genannt, da kam kein Jubelruf. Keine Ahnung, ob das eine Bedeutung hatte⊠Mir fiel es nur auf.
Das ist eben Amerika â und ich bin wieder bei meinem lieben Thema des doch sehr deutsch geprĂ€gten Wortes AuslĂ€nder: Die gibtâs her nicht. Hier gibtâs nur unterschiedliche HerkĂŒnfte. Und alle zusammen bilden dann irgendwie Amerika. Ein paar Verwaltungsbeamte informieren auf Englisch, Spanisch und Chinesisch, wie es ablĂ€uft, den Pass zu erhalten, dass man sich nun in die WĂ€hlerlisten eintragen soll, und welche Rechte sie als Amerikaner nun haben.

Und natĂŒrlich, wie teuer es ist. 120 Dollar, um den Pass in der regelrechten Abwicklungszeit zu bekommen, Express fĂŒr 160 und 174,90 fĂŒr den Super-Express (Der krumme Preis wĂŒrde sich aus den aktuellen PortogebĂŒhren ergeben

). Also, die Leute bekommen nicht nur Ihr Zertifikat der StaatsbĂŒrgerschaft, sondern alle stehen gemeinsam auf, schwören auf Amerika, unterzeichnen ihre Unterlagen, und geben ihren Umschlag ab, mit dem sie dann ihren Pass beantragen. Dabei wird eigentlich deutlich, welch ein gigantischer Verwaltungsakt hier abgehalten wird, dass fĂŒr 1000 Leute zeitgleich die PĂ€sse beantragt werden können. Ich frage mich mal wieder, wie die das machen, wie ich mich so oft gefragt habe, wie die VerwaltungsablĂ€ufe hier eigentlich funktionieren. GlĂŒcklicher Weise â und zu meiner positiven Verwunderung â klappt vieles doch reibungslos.

Danach wird gefeiert, Karl-Heinz lĂ€dt zum Mittag-Essen, vielen Dank noch mal, richtig gutes Restaurant im Ferry-Buildung am Embarcadero. Karl-Heinz hat die Seele auf der Zunge, so weiĂ dann auch schnell der Kellner, was Anlass dieses Essens ist. Was wirklich ganz schön ist, danach kommen verschiedene Service-Angestellte zu uns an den Tisch, und gratulieren. Man freut sich gemeinsam. Und auf dem Dessert-Teller war dann auch ein mit Schokolade geschriebenes âCongratulationâ zu lesen, die Info ging also bis in die KĂŒche.

Schon eine besondere Veranstaltung. Ein Fest ganz anderer Art war das Cherry-Blossom, sprich, dem KirchblĂŒtenfest im Japan-Town. Ich kenne das aus Hamburg, dort bedanken sich die immigrierten Japaner einmal im Jahr zum KirchblĂŒtenfest mit einem groĂen Feuerwerk fĂŒr die Gastfreundschaft der Stadt. Ich denke, das hier hat eine Ă€hnliche Aussage, es findet eine groĂe Parade statt. Irgendwie ein Mix aus Rosenmontagszug und Winzerfest. Verschiedenste Verkleidungen wie im Karneval, aber auch Prinzessinnen, die lĂ€chelnd, winkend sich bewundern lassen. Keine Kamelle. Na, und am Schluss werden irgendwelche Monstranz-artigen Gehebe durch die StraĂen Dinge getragen, jeweils ein kleiner Tempel oder Tabernakel-Ă€hnliches werden von zig Leuten getragen, zuerst eine von einer Kindergruppe, dann eine Frauengruppe, dann eine MĂ€nner-Tempel und ganz am Ende eben sowas wie n Prinzenwagen, auf dem drei Ă€ltere spĂ€rlich bekleidete Herren feiern lassen. Insgesamt aber eine recht langweilige Veranstaltung.

Ansonsten â hier ist am Wochenende der Sommer ausgebrochen â an die 30 Grad, und meine Haut pellt sich gerade erst vom Sonnenbrand vom Wochenende davor. Japan-Town liegt mehr im Stadtinneren und leicht im Tal, sodass dort kaum ein Wind ging. Ehrlich gesagt, mit warâs fast schon etwas zu heiĂ. Heute ist schon wieder besser, 20 Grad und absoluter Sonnenschein, das ist dann auch schön, selbst wenn man drinnen sitzt und einfach nur raus guckt

. War gestern mit Yves im Kino, es ist schon witzig, er klagte sein Leid ĂŒber seine Arbeit als Sozialarbeiter, und so bekomme ich auch etwas Alltag von andern mit. Am Wochenende habe ich Joseph bei Computerkram geholfen, waren danach im Dolores Park, am Sonntagabend hatte er wieder Karten fĂŒr das Herbst-Theater, dieses Mal ein Streicher-Quartett, ein richtig gutes Konzert. Und es tut mir wirklich gut, ihn zu treffen. Manchmal ist es etwas anstrengend, wenn die Leute doch arg oberflĂ€chlich sind⊠Bei ihm ist das anders. Da tauchen auch Themen wie Umweltschutz, KlimaerwĂ€rmung auf. Also, auch das wird hier immer mehr ThemaâŠ
In diesem Sinne, bevor ich jetzt wieder ins Endlose schreibe. Das Wetter ist schön, heute werde ich wohl mal an den Ocean-Beach fahren (oder auch nicht, hab zu lange geblogtâŠ). NĂ€chsten Montag kommt dann schon meine liebe Frau Karbach, nĂ€chste Donnerstag sitzen wir im Auto in den Grand Canyon⊠Super, ich freue mich schon sehr!