Zurück in der Heimat!

Wie schon angedacht, bin ich in der Nacht zum Montag gar nicht mehr ins Bett. Herzlichst von Ingrid verabschiedet habe ich um 23 Uhr meine Runde durchs Castro gedreht und mich ein wenig verabschiedet. Schon merkwürdig, hier durch die Straßen zu laufen, zu sehen, wie vertraut mir die Umgebung nach fünf Monaten ist, was ich hier mit unter gesehen habe: Präsidentenwahl, Demo gegen Prop8, Halloween, aber auch viele Abende alleine oder mit verschiedenen Besuchern oder Leuten, die ich hier kennen gelernt habe.

Und jetzt einfach in den Flieger zu steigen und das für eine Weile nicht mehr zu sehen… Habe zum Abschied einen Dobble-Cheese-Burger bei Orphan Andy's (dem vermeintlich besten Burger-Laden der statt) verspeist - Amerikaner können einfach richtig gute Burger zubereiten! Trödel gegen 2 Uhr morgens nach Hause und krame die restlichen Dinge zusammen. Ross, ein etwa 30jähriger Deutsch-Professor, aber gebürtiger US-Bürger, hatte meine übersetze Homepage Korrektur gelesen, schlage die Zeit tot, in dem ich seine Anmerkungen auf meiner Webseite abarbeite…

Schlagartig ist es vier, ziehe noch das Bett ab – Nachbar Peter (Kölner Nachbar Peter!) meldet sich noch per Skype, amüsiert sich, das ich scheinbar ein wenig konfus bin – zeige ihm per Video den Schreibtisch, der jetzt tatsächlich leer ist, den er vor zehn Stunden schon mal, aber zugemüllt gesehen hatte… Er bleibt noch in der Leitung, ich wackel mit dem Koffer zum Auto, bin halb zugeparkt, das Rangieren mit dem vermeintlichen kleinsten verfügbaren Mietwagen (Platz für mindestens 10 Leute) dauert etwas länger, stehe 10 Minuten später wieder in meinem Zimmer. Verabschiede Peter im Skype, fahre den Rechner runter und fasse es einfach nicht, diesen Raum jetzt tatsächlich zu verlassen – das waren doch jetzt keine fünf Monate, wo sind die hin?

Fahre noch ein wenig quer durch die Stadt, herauf in die Dolores Heights, das üppig geschmückte Haus ist leider nicht beleuchtet. Gut, wer will sich das auch nachts um vier schon ansehen ;-), Die Gegend ist einer der hügeligsten Ecken der Stadt und Autofahren macht hier wirklich Spaß. Langsam durchquere ich noch mal durch das leergefegte Castro, auf die Market und dann Richtung Autobahn. Ich bin überrascht, wie gut ich mich derweil auskenne, nun denn, die Stadt ist einfach auch super einfach aufgebaut, aber auch den Weg zu Flughafen finde ich fast blind; bin kaum 15 Minuten später dort. Gebe den Mietwagen ab, alles reibungslos, nehme den Sky-Train und stehe im 5:30 in der Schlange der Continental-Airline.

Eine Angestellte der Fluglinie läuft an der Schlange vorbei und ruft den Flug 1049 aus, ich suche mein Ticket, und spreche sie an: Ja, ich habe diesen Flug. Sie meint, reihen Sie sich bitte dort in die Schlange ein. Das Gespräch mit dem jungen Kerl hinter mir bringt die Info, der Flieger hat vier Stunden Verspätung, hätte er vorhin im Internet gesehen. Von derselben Fluggesellschaft ist ein Tag zu vor eine Continental Airlines Maschine von der Landebahn abgekommen, ob die Verspätung jetzt damit zusammen hängt… ach, will ich eigentlich gar nicht wissen. Aber es ist klar, dass ich damit meinen Anschlussflieger nach Frankfurt nie bekommen werde.

Auf einen anderen Flieger umgebucht



Jeder einzelne Fluggast wird umgebucht, nach ewig langem Warten - es ist fast sieben - komme ich dran. Die Angestellte ist schon sehr angestrengt, aber immer noch verhältnismäßig freundlich. Sehe den Mann am Nachbarschalter, der nun den Typ hinter mir betreut und höre wie Gebetsmühlen immer wieder seine Worte „Es ist alles ausgebucht…“.

Ich komme mir vor wie in einer billigen Soap – es sind zwei Tage bis Weihnachten, alle wollen nach Hause, und alles scheint schief zu gehen. Die Dame, die mich abwickelt, bucht mich um auf American Airlines, der Flieger geht schon um 10 vor 8, also sogar zehn Minuten früher als der geplante Flug, ich muss zum Terminal 3 – stehe im Termin 1… dann mal los. Renn, hetz. Werde dort freudig begrüßt und bin innerhalb von 20 Sekunden eingecheckt. Es ist zwar erst halb acht am morgen, die Dame hier am Schalter ist allerdings bereits gestresst wie nach zwölf Stunden Arbeit – und trotzdem charmant und freundlich.

Werde für das Durchleuchten dann aus der Schlange gezogen, muss in irgendwelche Glaskästen, werde von Luftdüsen angepustet, muss still halten, meine Tasche wird bis ins letze kontrolliert, komme mir fast vor wie ein Verbrecher. Wenn man etwas knapp in der Zeit ist, ist man da auch nicht ganz entspannt. Sitze gute 10 Minuten später im Flieger, höre meinen Namen durch die Bordlautsprecher, die Flugbegleiter zeigen mehrfach auf mich – sind sie Stephan Heller – man will sicher gehen, dass ich auch dabei bin. Eine Stewardess, die den Charme einer Bäckereifachverkäuferin (und tendenziell auch die Figur) hat, grinst mich später während sie Kaffee verteilt an, so oft hätte ich meinen Namen sicher noch nicht ausrufen gehört ;-).

Komme nachmittags in New York am JFK-Flughafen an. Wie mir die Dame morgens am Schalter gesagt hatte, muss ich jetzt den Flughafen wechseln, es gäbe hier einen Shuttle-Bus, das sei kein Problem. Muss meinen Koffer vom Band holen (durch das Umbuchen war es nicht möglich, das Gepäck für die komplette Strecke abzugeben), gehe zum Schalter um zu fragen, wo nun der Shuttle abfährt. Die junge Frau schaut mich mit großen Augen an, meint, der nächste Bus ginge um 17:30, der bräuchte auf jeden Fall eine gute Stunde – das würde auf keinen Fall funktionieren. Es scheint die einzige Chance zu sein, heraus zu finden, ob der Flieger „hoffentlich“ Verspätung hat… Ich bitte ihren Kollegen, das für mich zu machen, da jetzt in diesem Moment und ich Telefonieren, um mich nach einem Flieger zu erkundigen – das schaff ich nicht. Drei Minuten später steht fest, der Flug geht planmäßig. So. Der gute Mann wiederholt noch mal, dass das alles recht knapp wäre, aber eher unwahrscheinlich, dass ich dass schaffen würde. Ich wäre vielleicht rechtzeitig am anderen Flughafen, aber ich müsse gerade bei einem internationalen Flug drei Stunden vorher da sein, und es waren jetzt bereits nur noch 2 ½ Stunden bis zum Start – und ich bin scheinbar an einer völlig anderen Ecke der Stadt – ohne eine Ahnung zu haben, wo ich überhaupt bin und wohin ich muss.

Frage den guten Mann noch, was ich jetzt tun soll. Er meint Taxi, er könne mir aber auch einen Mietwagen bestellen, der hätte dann einen Festpreis, müsse dann aber noch 10 Minuten warten. Frage ihn, ob ich diese 10 Minuten denn hätte, er zuckt die Schultern und ich entscheide mich fürs Taxi, keine Zeit für lange Überlegungen.

Mit dem Taxi einmal quer durch New York



Schlangen, überall Schlangen. Auch am Taxistand. Ich frage die Dame vor mir, ob sie mich vorlassen könnte, da ich fürchte, meinen Flug zu verpassen. Ein böser Blick und irgendwas auf Spanisch vermittelt mir jedoch ein ganz deutliches NEIN! Warte also wie alle, sitze glücklicherweise schon ein paar Minuten später im Taxi. Der Taxifahrer afrikanischer Herkunft freute sich, da er den Flughafen kennen würde! Wir fuhren los und scheinbar ist es in New York üblich, erst mal den Preis zu verhandeln. Ich sage ihm deutlich, dass ich keine Ahnung hätte, wie weit der Weg ist, ich noch nie in New York gewesen sei, er mir einfach eine fairen Preis sagen soll, er aber vor allem dafür sorgen soll, dass ich so schnell wie möglich zum Flughafen in Newark komme. Er einigt sich auf 100 Dollar und gibt Gas und bremst, gibt Gas und bremst… Montagsnachmittag um fünf in New York, zwei Tage vor Weihnachten, es ist einiges los auf den Straßen! Entspannt ist anders. Trotzdem kann ich die Fahrt durch ein paar Wohngegenden genießen, kleine, typische amerikanische Häuschen, und alle in altem Schnee – ja, hier muss vor ein paar Tagen richtig war runter gekommen sein, und kalt isses draußen.

Ein paar Minuten später beginnt der Taxifahrer zu reden, irgendwann bekomme ich mit, dass er mit mir sprechen will. Er hätte gerade mit einem Freund telefoniert, das Steuerblättchen, welches ich beim Einsteigen ins Taxi bekommen hatte, auf dem Richtpreise standen, seien uralt und der Weg wäre viel weiter wie gedacht und würde mindestens 150 Dollar kosten. Reagiere erst mal nicht, überlege, ob der mich jetzt abzocken will und in wie fern ich gleich ne Knarre am Hals habe und er mich irgendwo raus setzt, wenn ich nicht mit spiele (also, die üblichen Gedanken, die man so hat) - und den Flieger dann bestimmt nicht mehr bekomme…

Nach einer Weile macht er deutlich, dass das Thema für ihn noch nicht zu Ende besprochen sei. Sage ihm, dass ich schon etwas verwundert wäre, weil er seine Preise ja kenne sollte und ich den Preissprung jetzt doch etwas arg fände, signalisiere ihm aber, dass ich mit 120 Dollar leben könnte. Etwas mürrisch akzeptiert er irgendwann diesen Preis. Super Stimmung im Taxi. Draußen ist es derweil richtig dunkel, wir scheinen mitten in Manhattan zu sein, oder so ähnlich, auf jeden Fall stehen hier verdammt viele hohe Häuser, es wäre eine geniale Sightseeingtour, wenn da nicht gerade ein wenig Zeitnot wäre ;-).

Irgendwann fängt der Taxifahrer an zu plaudern, will wissen, woher ich bin, er erzählt mir, dass er in Paris gelebt hätte, großer Fan von Bayern München sei, Klinsmann super fände und auch Matthäus… Er scheint aber recht schnell zu ahnen, dass Fußball nicht mein Hobby Nummer 1 ist. Ich wunder mich hingegen, dass Lothar Matthäus noch in den Köpfen ist, seine Hochzeit ist meines Wissens doch schon eine ganze Weile vorbei, oder?

Die Fahrt schient kein Ende zu nehmen, um kurz vor sechs sagt er, der Verkehr sei heute entspannt, wir würden in fünf Minuten am Flughafen seinen. Um halb sieben sind wir endlich am Abflugterminal der Continental – Abflug ist um 19:15! Raus, die erste Frau mit offiziellem Namensschild angesprochen, sie verwies mich auf eine bestimmten Schalter. Hier scheint gerade in Flieger nach Bombay eingecheckt zu werden, zumindest scheint meine Idee, ob ich an der Schlange vorbei käme, nicht mal auf Spanisch verneint zu werden…

Aber es läuft zügig, entscheide, dass diese drei Minuten es jetzt auch nicht mehr ausmachen können. Gebe dem Mann vom Bodenpersonal mein Ticket, erwarte schon ein „Nein, zu spät“, aber lediglich: „Ihr Koffer ist zu schwer“ – packe auf die Schnelle noch ein paar Zeitschriften und Bücher (die ich für Bettina nach Deutschland transportiere) in eine zweiten Rucksack, den ich eher zufällig eingepackt hatte, und laufe seit dem mit gefühlten 30 Kilo Handgepäck durch den Flughafen – aber glücklich: Sie nehmen mich mit!!!

Natürlich ist am Sicherheitscheck wieder eine Schlange, fülle mit meinem Kram vier Kunststoffschalen. Will durch das Tor, die Sicherheitsfrau bittet mich, meine Jacke, die ich noch anhabe, auch durch das Röntgen-Laufband zu schicken. Vor lauer Hektik, Schuhe wieder anziehen, Kram zusammen packen und einem Plausch mit dem Sicherheitsangestellten, der sieht, dass ich das gleiche Handy-Modell habe wie er, und wie miserabel dieses Telefon doch sei, stelle ich 20 Minuten später im Flieger fest, dass ich meine Jacke am Band nicht mit genommen habe. Das ärgert mich noch eine ganze Weile, könnte fast ein wenig heulen, da diese Sweatshirt-Jacke (siehe Foto) eines meiner liebsten Kleidungsstücke geworden war, ich eben auch ganz stark mit meiner Zeit in San Francisco verbinde und fast jeden Tag getragen hatte… Habe eine ähnliche in rot gekauft, aber die blaue war eben 10 Mal besser – nu isse weg… Schade…

Vor allem bin ich aber glücklich, tatsächlich im Flieger zu sitzen. Das Mädel (Typ Paris Hilton) neben mir schaute mich völlig entsetzt an, als ich als einer der letzten in den Flieger steige, sie hatte sich sichtlich schon auf beide Sitze eingerichtet, so freundlich war dann auch in den Stunden danach unsere Konversation. Naja, war ja weitgehend in der Nacht. Habe kaum geschlafen, aber gut gedöst, und stehe am Dienstagmorgen um halb 10 am Flughafen in Frankfurt. Wieder in Deutschland. Merkwürdig.

Zurück auf deutschem Boden



Der erste Eindruck ist nicht merkwürdig, sondern irgendwie völlig normal – unterscheidet sich nicht vom Zurückkommen von einer kurzen Reise. Komisch, dass es nicht merkwürdig ist… Koffer vom Band geholt, frage eine Sicherheitsmenschen, wie ich zum ICE-Bahnhof komme, er mein „Nehmen Sie den gelben Bus dort“. Im Bus kurz später fragt mich eine Frau „Ist das Ihr Koffer da?“. Beim Betreten des Bahnhofs werde ich von einem Kreditkartenmädel angesprochen: „Haben Sie schon die neue Barcleys?“ Moment mal. Da war es wieder. Ich bin kaum gelandet und irgendwas ist doch anders. Die sprechen mich alle mit „Sie“ an! Ja, das Ansprechen mit „Sie“ habe ich völlig verdrängt. Das gibt’s in im Englischen bekannter Weise ja nicht, ich tue mich erst mal schwer damit, rede auch alle mit „Du“ an.


Kurz später fahre ich die Rolltreppe zum Gleis runter, meine Blicke treffen sich mit denen eines Mannes, der auf der anderen Seite hoch kommt. Beim zweiten Hingucken nicke ich ihm zu und grüße ihn, sehe nur, dass er sichtlich verunsichert und fast schon bedrängt weg schaut. Kaum da und schon der zweite Unterschied – in San Francisco wäre es völlig normal gewesen, dass er mich auch grüßt oder ein „How `re u doing“ raus gehauen hätte – hier guckt man dann eher schnell wieder weg…

Ich sitze grinsend wie ein Honigkuchenpferd auf dem Bahngleis, freue mich wieder hier zu sein, freue mich aber auch, in San Francisco gewesen zu sein. ICE ist super, sowas gibt’s in Kaliforniern nicht, man fährt an der A3 vorbei, und ich grinse mich weiter tot über die Autobahn. Im Gegensatz zu den Highways sieht die drei-spurige Autobahn aus dem Zug heraus ziemlich mickrig aus, was ziemlich paradox ist, da der Amerikaner riesige Freeways hat, dort aber nur mit maximal 110 Stundenkilometer fahren darf. Und hier darf man auf diesen engen Straßen 200 und mehr düsen – schon verrückt…

Bin um 12 in Köln, trinke mit Ute alle beauftragen Glühweine, treffe zufällig noch Markus auf der Domplatte, komme nachmittags in mein temporäres Domizil (cool, ein ganzes Haus für mich, lege mich erst mal in die Wanne), schlafe drei Stunden, bin abends auf einer Geburtstagsparty und merke, ich fühle mich völlig wie zu Hause, als ob ich nie weg gewesen wäre. Oder auch nicht. Ich merke, wie ich alles vergleiche, die Haltestelle am Appellhofplatz ist wie geleckt, selbst der Penner dort ist recht adrett gekleidet… schon anders hier. Ich befürchte, dass ich jetzt nur noch vergleiche.

Heiligabend ist jetzt vorbei, der erste Spaziergang im Bergischen liegt hinter mir und ich komme mir vor, als ob ich gerade mal zwei Wochen weg gewesen wäre… Hier hat sich die Zeit wohl viel, viel länger angefühlt. Nun isses neun Uhr morgens am 1. Weihnachtstag, bin vom Jetlag vor 3 ½ Stunden aus dem Bett gefallen worden und habe diese Zeilen geschrieben. Leider ist die DSL-Bestellung hier bei meinen Eltern noch nicht durchgeführt worden, dass ich nun seit drei Tagen ohne Internet bin, was sich auch merkwürdig anfühlt. Das heißt dann jetzt einfach „Oh Du Fröhliche“ eben offline und habe die Weihnachtstage Zeit, irgendwie wieder in den Rhythmus zu kommen.

Bin glücklich, hier gut angekommen zu sein, ohne direkt in ein mentales Loch gefallen zu sein. Das Leben im „Hier und Jetzt“ scheine ich also immer mehr zu beherrschen. Und habe ganz deutlich die Bilder von der Castro, dem Mission-Dolores-Park und den Blick auf die Skyline im Kopf… Und geh jetzt einfach noch mal ins Bett, da mir definitiv Schlaf fehlt… bin gespannt auf die nächsten sieben Wochen in Deutschland… In diesem Sinne, frohes Fest!


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