Nach Amerika ist vor Amerika - und alltägliche Unterschiede in Deutschland

Sunday, 16. August 2009
Ich wundere mich gerade selbst, wenn ich von draußen auf meine Geschichte gucke. Klar, mir kommt es ewig vor, dass ich wieder hier bin, aber es sind gerade mal erst 6 1/2 Wochen. Und schon ist der nächste Flug gebucht, Mitte Oktober geht's wieder nach San Francisco, nur für sechs Wochen, also verhältnismäßig kurz. Die Bindung zu Keas ist konstant und damit steigt gerade das Bedürfniss, nicht zu viel Zeit verstreichen zu lassen. Und damit genug gesagt zu den Gründen, warum es jetzt schneller kommt als im Hinterkopf angedacht.

Ändert nichts an der Entscheidung, erst mal für immer wieder in Köln zu sein. Köln ist schon ein guter Fleck zum Leben, auch wenn das Wetter alle Variationen bietet, ist hier gerade ein gute Phase, in der man sich bei hohen Temperaturen nicht länger als ´ne Stunde ungeschützt in der Sonne bewegen sollte. Nun, aber auch wenn es jetzt Keas gibt, es muss langfristig nicht zwangsläufig so sein, das Köln nach Amerika geht, sondern es kann auch Amerika nach Köln kommen. Wäre jetzt nicht der erste... und alles zu seiner Zeit!

Nun, aber Kalifornien ist eben auch auf dem Erdball, und wie man an den Postkarten im Bericht weiter unten sehen kann, haben sich auch schon andere Kölner mit dem doppelten Heimatgefühl auseinander gesetzt ;-). Ich weiß schon, wer sich diese in Pasadena sofort ausdruckt :-D.

Ja, Köln ist lebenswert, aber hat auch seine Seiten, die ich so gar nicht mag. War gestern Abend mit Veit am Rhein, und sowohl auf dem Weg dorthin als auch zurück laufen einem Horden von depperten Leuten über die Füße, die irgendwelche Junggesellenabschiede feiern, denen es nicht zu peinlich ist, T-Shirts mit vermeintlich lustigen Sprüchen wie "Horst, sein letzer Abend in der Freiheit" zu tragen. Und nicht ein Trupp, sondern gefühlte hunderte Grüppchen, die in dieser Weise die Kölner Altstadt und die Ringe überschwämmen.

Klar, ich war selber vor zwei Jahren Mitstreiter einer solchen Veranstaltung - was tut man nicht alles für Freunde ... es gab eine kleine spanische, echt süße Stripperin im Tingel Tangel, die mir einen "Privat-Dance" angeboten hat, ich dankend ablehnte und sie mir auf den Kopf zu sagte, dass dies sicherlich an meiner "grundsätzlich mangelnden Bereitschaft" ;-) läge.
Nun, als mich eine Weile später der angehende Bräutigam an die Strip-Theke zog und mir einen gerollten Dollar zwischen die Zähne steckte, damit sich eine der Tänzerinnen diesen fischen kann, war derweil dieses spanische Mädel auf der Bühne, sah mich, sah den Dollar, grinste über beide Ohren, kam zu mir, schob mir ihre Brüste ins Gesicht und angelte sich amüsierend das Spielgeld... Nun denn, Mann ist ja tolerant..., und was tut man nicht alles für Freunde ;-) … aber ich verzettel mich gerade... (na, und lustig war’s schon…)

Mein Gefühl ist in der Tat, dass in Köln viel mehr los ist als vor bald 20 Jahren, als ich selber nach Köln kam, aber die Massen an Wochenendpartyleuten waren noch nie der Grund, warum ich jetzt Köln gemocht habe.

Kleine Unterschiede im Detail


Es ist jetzt nicht überraschend, dass ich nach fast einem Jahr Amerika alles miteinander vergleiche. Wobei das oft ganz nebenbei passiert und ich selber immer wieder kurz überrascht bin. So bin ich überrascht, dass man einen Schaltwagen nicht einfach so starten kann... Habe das jetzt schon mehrfach versucht, und im Wundern, dass das nicht geht, war mir klar: Gang raus nehmen oder einfach Kupplung treten ;-). Das ist bei den Automatik-Autos in Amerika anders, dort bekommt man den Schlüssel aus dem Auto nur raus, wenn man den doch vorhandenen Schalthebel in die Parkstellung legt. Man steigt also ein, das Auto ist immer in der Parkstellung, und man kann ohne weiteres starten.

Oft bremse ich hier auch einfach, ohne runter zu schalten, das ging ja dort auch... Ja, und Ampeln - in Amerika stehen sie hinter der Straßenkreuzung, der orientierende Blick geht also immer in die Ferne und nicht auf Höhe der Haltelinie. Gerade wenn man als erster vorm Rot steht, und besonders wenn man etwas zu weit über die Linie gefahren ist, weiß man: das ist in Amerika echt besser, man muss sich nicht den Hals verdrehen, um zu gucken, wann es grün wird.

Was mit leider oft auffällt, ohne wirklich zu wissen, oder das stimmt oder ob ich das nur so empfinde, die Leute sind hier durchweg unfreundlicher. Selten kommt es vor, wenn man aus dem Aldi raus will und es kommt einem jemand entgegen und in dem Moment der Einigung, wer jetzt wen vor lässt, dass mal jemand freundlich guckt. Oder auch auf der Straße. Wenn Fußgänger bei Rot über die Straße gehen und die schimpfende Gestik des Beifahrers auch ohne akustische Aussage völlig reicht, um zu erfahren, dass die Leute in ihrem Auto nun ihr Recht auf freie Fahrt einfordern. Oder die Handbewegungen des älteren Herren auf der Zoobrücke, die ich letzte Woche im Rückspiegel sah, und die tötenden Blicke der hoch toupierten Ehegattin im Moment des Überholens, wobei ich mich heute noch Frage, was der Stein des Anstoßes war... und selbst wenn es einen gab, es hat den Blutdrücken jener Leute sicher nicht gut getan...

Nun, nur soweit ein kleiner Eindruck vom Sonntagmorgen. Meine Steuernachbereitung für die letzen 1 1/2 Jahre ist derweil getan, meine Wohnung räumt sich immer mehr auf, und in der Tat, es landet vieles im Müll, diverse Bücher und CDs verkaufe ich gerade über Amazon, ich genieße es, dass langsam wieder Ordnung rein kommt und ich dabei noch Platz schaffe.

Ach ja, und derweil habe ich wieder mein amerikanisches Fernsehen zurück. Ich schaue nicht viel, hier beschränkt sich das zumeist auf die Nachrichten, aber in den Staaten war hulu.com eine Quelle verschiedenster Fernsehkanäle, vor allem mit den aktuellen Folgen von Monk und Dr. House. Gerade letztere ist mein absoluter Favorit, aber auch Monk ist ziemlich cool, nicht nur, weil der Typ echt irre ist, sondern weil es in San Francisco gedreht ist, und ich immer wieder Szenen sehe, bei denen ich so genau weiß, an welcher Straßenecke diese gedreht wurden... hulu.com ist normaler Weise in Deutschland geblockt, man kann aber mit folgendem Trick amerikanisches TV in Deutschland sehen.

Soweit, so gut, jetzt aber wirklich Ende und Zeit für den sonnigen Sonntag! In diesem Sinne, ab Oktober gibt‘s dann wieder Bilder aus San Francisco!

Einen Monat in Deutschland und über das Bloggen

Monday, 3. August 2009
Jetzt bin ich seit gut einem Monat wieder hier. Neben Wohnung und Arbeit hat das Squash-Spielen den Alltag zu 100% wieder zu dem gemacht, wie er auch vorher war. Erschreckend, dass über den Tag hinweg, wenn der Tagesablauf einen im Griff hat, kaum ein Gedanke daran geht, dass ich so lange weg war. Nur mein Bildschirmschoner im Büro, für den ich die Bilder aus San Francisco eingestellt habe, treibt mir immer wieder ein Grinsen ins Gesicht.

Nun, was hat sich jetzt verändert. Schwere Frage, so richtig kann ich das nicht sagen. Was ich schon merke, dass ich recht gut in die englische Sprache rein gekommen bin. Bei Bedarf zwitsche ich sofort um, klar, die Worte fehlen ab und an, aber das war ja ohne hin noch alles im Lernprozess, aber es geht mir leicht von der Zunge.

Glücklich bin ich in der Tat über meine deutsche Waschmaschine. Die Waschmaschine im Keller des Apartmentgebäudes in Amerika lief 27 Minuten, und hatte dann zu Ende gewaschen. Danach ging dann alles in den Trockner. Hier - in meiner Küche - wäscht es 1 1/2 Stunden, die Wäsche ist dann auch richtig gewaschen und fühlt sich meinem Eindruck nach sauberer an als drüben. Froh bin ich auch, wieder eine Wäschespinne zu haben. Trockner ist zwar wahnsinnig praktisch, aber so einige Klamotten, die ich über Jahre hatte, fühlten sich nach einem Jahr in trocknender Hitze stark verändert an, man spürt deutlich, wie die Qualität der Wäsche Einbußen erlitten hat.

Was ganz witzig ist, wenn ich mit dem Rad unterwegs bin, was aktuell jeden Tag der Fall ist, schnappe ich Wortfetzen von Passanten auf. Oft stutze ich überrascht: "Die sprechen ja deutsch" und merke im zweiten Moment, dass das hier ja der Normalfall ist. Schön aber auch zu sehen, dass Köln selber kein "weißes" Dorf mehr ist, sondern auf der Straße einfach "Diversity", wir nennen es Multi-Kulti wahrzunehmen ist. Keas fragte mich vor ein paar Wochen, wie viele Schwarze es denn in Köln gäbe, ich konnte ihm die Frage nicht beantworten. Konkret kann ich das heute auch nicht sagen, aber ich bin ganz glücklich, dass auch "Afro-Amerikaner", um es politisch korrekt zu verwenden, einen deutlich sichtbaren Teil vom Straßenbild ausmachen. Keine Ahnung, wie entspannt das Leben hier als Farbiger ist; in Amerika, auch wenn Obama Präsident ist, und auch wenn es bei manchen eher die gefühlte rassistische Diskriminierung ist als eine reale, so ist Rassismus dort immer noch eine ernst zu nehmende Angelegenheit. Von daher gehe ich davon aus, dass ein Nicht-Weißer hier in Mitteleuropa das sicherlich in regelmäßigen Abständen zu spüren bekommt, und das wahrscheinlich auch von „lapidar“ bis hin zu „bösartig“. Ich baue da auf die Zukunft!

Natürlich schaue ich mir oft die Bilder vom vergangenen Jahr an, telefoniere oder skype bald jeden Tag mit irgendwem aus San Francisco, dass die Zeit doch sehr gegenwärtig ist. Ich nutze andererseits die Gelegenheit, langsam in meine Wohnung zurück zu kommen und auszumisten. Langsam habe ich zwar allen verteilten Kram wieder hier, aber es sind auch bereits die ersten Klamotten im Alt-Kleidersack. Die erste große Mülltüte ist bis oben hin gefüllt mit diesen ganzen "Könnte man ja noch mal gebrauchen" oder "das erinnert mich an dies und das"-Kram, ich hoffe, dass ein weiterer Müllsack folgen wird.

Und in der Tat habe ich es am Wochenende geschafft, meinen Steuerkram der letzen 18 Monate nachzuarbeiten. Hatte befürchtet, dass es mich Nerven kostet, doch auch meine Struktur kehrt langsam zurück, und mit der Ordnung auf meinem Schreibtisch erledige ich routinemäßige Dinge mit der Sorgfalt, wie ich es vorher getan habe. Dinge, die ich oft im letzen Jahr nur rudimentär und mit den minimalen Anforderungen entsprechend abgewickelt hatte, da einerseits das üppige Abheften von Belegen für das deutsche Steuersystem in den Staaten sinnlos gewesen wäre, noch mir meine ganzen Unterlagen zum nachschlagen gefehlt haben. Nun denn. Es ist nicht nur erschreckend, dass alles wieder so ist, wie es war, es hat an vielen Ecken auch was einfaches, da vieles scheinbar wie von selbst läuft...

Schönes Bloggen, schlimmes Bloggen, und ein paar Zahlen


Nun, das meiste Bloggen ist für den Moment getan, zu trivial kommen mir gerade die Dinge vor, dass es sich lohnen würde, weiter davon zu berichten. Und vor allem sind die Leute ja jetzt wieder "prinzipiell" direkt erreichbar, das man sich über alles direkt unterhalten könnte... Und wahrscheinlich werden manche Leute jetzt weniger von mir mitbekommen, als im letzen Jahr. Nicht selten habe ich gehört, dass selbst enge Freunde vieles erst durch den Blog mit bekommen haben, was hier im Alltag einfach an ihnen vorbei gegangen ist. Nicht weil nicht interessiert, andersrum aber auch Dinge, die nicht so wichtig sind, aber für manche war es der beste und engmaschigste Kontakt seit Jahren...

Meine Blogsoftware hat ein kleines Statistik-Tool. Dort habe ich neulich schon ein paar Zahlen gesehen, die mich selber überrascht haben: Ich habe im letzen Jahr 108 Berichte geschrieben, 439 Bilder eingestellt - und da sind nicht die Dia-Shows mit drin. 809.064 Zeichen habe ich laut Statistik geschrieben, der längste Artikel hatte knapp 50.000 Zeichen, das war der, der die Zwei-Wochen-Rundreise durch die Canyons beschrieben hat. Bei diesem Artikel erinnere ich mich allerdings auch, dass ich über zwei Tage und rund 12 Stunden gebraucht habe, um ihn zu schreiben, Fotos aufzubereiten und alles so einzurichten, wie es schließlich zu lesen war.

Insgesamt haben 201 Mal andere Leute meinen Kram kommentiert, ganz an der Spitze Tanja mit 41 Kommentaren - nun, Heike hat mal als Heike (20), mal als Hoeki(14) geschrieben, macht auch 34 Kommentare und hat damit Mikaela mit 22 doch stark überrundet. Aber auch Wilma hat 6 Mal geschrieben, und jede Menge andere Leute auch immer mal wieder, vielen Dank an dieser Stelle noch mal.

Was in der Tat nicht so schön am Bloggen ist, es ist mitunter ein Gesprächskiller. Es gab Situationen, in denen ich Leute am Telefon hatte und ich vom gerade Erlebten berichten wollte. Und das umgekehrte passierte, die Leute sagten mir, ja, da haste dies gemacht, ja, da haste jenes gemacht. Und ich merkte, dass mich das stutzig machte, da eigentlich kein Thema mehr für die Unterhaltung da war. Dieser Effekt sei nur am Rande erwähnt, ich glaube schon, dass sich es gelohnt hat, zu bloggen, aber es hat eben auch ein paar kleine Nebeneffekte. Auch die Tatsache, dass man alleine vor sich hinschreibt und wenig Rückmeldung erlebt. Nun, ein Dilemma, mit dem sich wahrscheinlich jeder Autor herum schlägt. Für mich war es aber oft gut, sich noch mal hin zusetzen, weil es das Geschehene noch mal in Gedächtnis gerufen hat, und die Erinnerung damit festgehalten ist. Ohnehin, diese Zeit ist wahrscheinlich das bestdokumentierte Jahr meines Lebens. Sowohl die Berichte hier, als auch die 11.000 Fotos. Das macht das Jahr letztendlich auch unvergesslich...

Na, und Amerika? Nun, entweder fahre ich im Oktober für ein paar Wochen nach San Francisco - oder San Francisco kommt zu mir, man wird sehen. Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen und ich werde gerade auch oft gefragt, ob ich jetzt bleibe: Ja, ich bleibe für immer - erst mal für immer. Und alles Weitere bringt die Zeit. Werde bestimmt nie auswandern, dafür gibt es einfach ein paar Aufgaben, die hier auf mich warten. Werde aber auch San Francisco nie hinter mir lassen!

In diesem Sinne – vielen Dank fürs mit-verfolgen!