3 Monate Amerika - spinnt er denn jetzt wirklich, der Amerikaner?

Es sind nun drei Monate vergangen, dass ich meinen Fuß auf amerikanischen Boden gesetzt habe. Ganz ehrlich, ich habe es noch keinen Tag bereut. Natürlich stellt sich hier gerade in Arbeitssituationen auch der Alltag ein. Aber ich bin nach wie vor ganz weit weg von irgendeinem Trott.

Ich bin selber immer noch überrascht, überhaupt hier zu sein. Hatte in den letzen 20 Jahren immer mal wieder die Idee, ins Ausland zu gehen. Aber selbst in diesem Frühjahr, als alle Formalitäten schon geregelt waren, habe ich lange noch nicht daran geglaubt, das ich das wirklich mache. Und auch heute glaube ich es kaum, dass ich jetzt schon so lange hier bin - und doch auch so kurz.

Erster Rückblick



Was sich sicher vom Leben in Deutschland unterscheidet, oder von einem Leben, das schon lange an einem selben Ort statt findet, ist einfach das ständig Neue. Und damit auch die Herausforderung, die in vielen Kleinigkeiten versteckt. Auf den ersten Blick, und vor allem hier in San Francisco, ist alles sehr europäisch, von daher alles sehr ähnlich.

Das Fernsehprogramm ist fast identisch mit dem Deutschen. Dank der englischen Sprache, die wir in der Schule doch ganz gut lernen, kommt man sprachlich recht weit. Darum beneidet uns sogar der Amerikaner, da hier nur die wenigsten zu Schulzeiten eine Fremdsprache lernen. Er ist deswegen wahrscheinlich auch viel toleranter, wenn man kein perfektes Englisch spricht, da er schon das Gefühl hat, dass eine zweite Sprache auch für ihn sehr sinnvoll wäre!

Der Alltag selber ist ebenfalls vergleichbar. Es gibt einen mehr oder weniger funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr (nicht ganz so gut wie die KVB), ein umfangreiches Freizeitangebot, viele Kinos, auch Programmkinos, jede Menge Cafés und Restaurants, Supermärkte, in denen die Auswahl gerne auch etwas üppiger ist als bei uns und im Großen und Ganzen vergleichbare Infrastrukturen wie bei uns.

Die Produktpalette ist sehr ähnlich wie unsere, die Küchenrolle „Bounty“ heißt hier ebenfalls „Bounty“, aber den Schokoriegel „Bounty“ gibt’s hier auch, Mars und Snickers liegen im Supermarktregal, Milkey-Way gibt es sogar in der Zartbitter-Version (sehr lecker!), Dannone heißt hier nur Dannon, aber Activia-Jogurts werden hier ebenso beworben. Und die Red-Bull-Zeichentrick-Werbung ist genau dieselbe, lediglich in anderer Sprache. Auch Umgangsformen sind weitgehend die Gleichen, man scheint vergleichbare Werte zu haben, was man macht, und was man eher nicht macht, aber es ist alles sehr nahe an – ich möchte nicht verallgemeinern – aber nahe an meinem persönlichen deutschen Alltag.

Die Krux liegt im Detail



Gleich ist es aber nur auf den ersten Blick. Nach den ersten beiden Wochen Urlaub schien alles gleich zu sein, mit dem Eintauchen in den Alltag wird man doch häufig in die Irre geführt und wunderlich überrascht.

Dass man hier mit Dollar statt mit Euro bezahlt, ist nun keine Neuigkeit. Bei Meilen hat der eine oder andere aber sicher schon seine Probleme – wie viel sind denn jetzt 65 Meilen/Stunde Speedlimit (zur Info: es sind knappe 105 km/h). Spätestens wenn man aber vor der Waschmaschine steht, weiß man, dass irgendwie alles anders ist. So wasche ich meine Buntwäsche bei 105° Fahrenheit, DIN-A 4 gibt’s hier nicht, Papierformat ist das Letter-Format. Die Blätter sind etwas kürzer, dafür etwas breiter. Das ist besonders ärgerlich, wenn man PDFs von zu Hause ausdrucken will, da ist einfach das Format nicht ganz passend. Zum Glück kann man diese Dinge am Computer ganz gut einstellen. Ebenfalls gut ist zumindest, dass man alle deutschen Elektrogeräte mit den hier gelieferten 110 Volt betreiben kann. So habe ich einen amerikanischen Adapter, an dem ich eine deutsche Mehrfachsteckdose (die ich mir glücklicher Weise nach Hinweis von Heiko mitgebracht hatte) habe, woran ich dann meine 1000 Ladegeräte anschließen kann.

Aber selbst das Kaufen eines Lochers stellte mich vor unerwartete Aufgaben. Die Löcher von amerikanischen Lochern sind etwas größer, dafür aber etwas näher zusammen - wenn man die Löcher für Zwei-Stab-Ordner vergleicht. Der Standardordner hat aber eher drei Stangen, für die es dann wieder andre Locher gibt. So habe ich keinen Locher für meine mitgebrachten Ordner gefunden – und nach wochenlanger Suche mich für die Anschaffung eines amerikanischen Ordners entschieden.

Schaut man bei Lebensmitteln auf die Kalorienangaben, ist man erst mal völlig irritiert. Nicht wie bei uns, wo man die Angaben in der Regel auf 100mg oder 100ml bezogen findet, bezieht man hier die Kalorien auf eine sogenannte „Serving Size“, also auf eine Servier-Einheit. Mein Müsli gibt die Kalorien also bezogen auf eine Menge von einer ¾ Cup bzw. 32g an, was den Vergleich zum nächsten Müsli scheinbar unmöglich macht. Was aber so nicht stimmt, mit war nicht klar, das eine Cup, also eine Tasse, nicht eine willkürliche Größe ist, sondern eine offizielle Maßeinheit und damit ein knapper viertel Liter ist. Aber Liter gibt’s hier eigentlich auch nicht, hier gibt’s Gallonen. Vor allem tankt man hier in Gallonen, was dann pro Gallone um die 4 Dollar kostet. Hört sich viel an. Eine Gallone ist aber knapp 3,8 Liter, was dann beim aktuellen Euro-Kurs weniger als ein Euro pro Liter ist… nun denn, auch nicht schlecht ;-) .

Solche Unterschiede scheinen sich durch alle Bereiche zu ziehen. Und oft ist es eben nicht nur eine andere Einheit, sondern auch eine andere Basis, die man zugrunde legt. So geht es bei der Light-Variante von Bier nicht darum, weniger Alkohol im Bier zu haben, sondern um eine Kalorienreduktion.

Kein besser oder schlechter – einfach nur anders



Ich kenne es von mir selber, dass man den Amerikaner schnell in einer Schublade hat. „Der hat kein Klimabewusstsein, lebt sein Leben im Auto und isst nur Fastfood.“ Mir ist schon klar, dass der Kalifornier, oder der San-Franciscoianer (wie sagt man eigentlich?) nicht der typische Amerikaner ist. Aber hier findet man in vielen Bereichen genau das Gegenteil von dem, was man glaubt, wie der US-Bürger vermeintlich ist.

Hier gibt es jede Menge Bioläden, auch Bio-Supermärkte, auch viele Restaurants legen Wert auf eine hochwertige Küche, beziehen ihre Produkte aus der Region oder achten auf eine adäquate Tierhaltung. San Francisco hat ein vergleichbares Mülltrennungssystem wie Köln. Blaue Tonne für Papier, Glas, Dosen und Großteil von Plastik, Grüne Tonne für Pizza-Schachteln und Biomüll, die schwarze dann für den Restmüll. Die bleibt hier im Hause aber meistens komplett leer. Und man hat keine öffentlichen Sammelstellen für Glas, das geht mit in die Tonne am Haus.

Beim Besuch von Las Vegas habe ich natürlich vehemente Klimaanlagen erlebt, die bei uns ja gerne mal im Verruf sind. Aber Hand aufs Herz, hätten wir im Sommer durchgehend über 40 ° Celsius – was in Fahrenheit an die 110° geht - hätten wir die auch - und auch die Grünen. Das sind dann schon die Sichtweisen, die man einfach nicht durch deutsche Augen einnehmen darf, sondern auch die lokalen Gegebenheiten betrachten muss.

Gerade läuft im Fernseher eine Werbung für energiesparende Geräte – also, auch das gibt’s hier! Und in einem der Präsidenten-Duelle wurde auch klar, das sich zumindest Obama, also die Demokraten sich sehr wohl über alternative Energien Gedanken machen, und sich nicht nur die weltweiten Erdölvorrate unter den Nagel reißen wollen.

Varianten im „Wie man was macht“



So wie es unterschiedliche Einheiten gibt, so gibt es auch Unterschiede in dem, wie man was macht. Die Abläufe, weiß gar nicht wie ich das nennen soll, im Miteinander sind nicht deutlich, aber gerne mal einen Hauch anders.

Völlig selbstverständlich ist, dass man im Restaurant die Rechnung mit 15% Trinkgeld begleicht. Da gibt’s auf keine Vertun. Ich erlebe schon mal Deutsche, die mit der reduzierten Höhe des Trinkgelds ihre Unzufriedenheit ausdrücken wollen - aber das geht nicht. Damit werden ungeschriebene Gesetze gebrochen. Wie genau das Gehalt der Leute von diesem Trinkgeld abhängt, ist mir nicht ganz klar, aber das werde ich auch noch heraus finden.

Anders ist es an der Theke – 15% sind dort üblich, wo Service am Tisch passiert. Sitzt man am Tresen, sind nicht zwingend die ganzen 15% üblich (habe verschiedene Amerikaner befragt), man sieht aber am Rückgabeverhalten des Kellners, welche Höhe von TIP er erwartet. Ein normales Bier (schätze mal, irgendwas um die 350 ml) kostet hier zwischen 4,25 und 5 Dollar. Gerade bei einem Preis von 4,50 bekommt man auf 10 Dollar dann meistens die 5 Dollar in Ein-Dollar-Scheine wieder, was ganz klar die Ansage ist: Ein Dollar davon geht zurück an den Kellner!

Aber auch anders als bei uns sagt man nicht „Stimmt so“ oder „mach fünf“, sondern man bekommt das Rückgeld, legt das TIP vor sich, und das bleibt auch meistens liegen, bis man den Laden verlässt. Es scheint so zu sein, dass es genauso unhöflich, wie es wäre, kein TIP zu geben, wenn der Kellner den TIP sofort einsacken würde.

Beim Essen-Gehen selber erlebe ich es aber auch als entspannter. Selbst wenn man in etwas teurere Lokale geht, ist der Service nicht von festen Regeln bestimmt. Wenn der Kellner an den Tisch kommt und den Wein serviert, dann stehen die Gläser auf der Seite, aus der er eben kam. Hier spielt es keine Rolle, dass jeder sein Glas an der vorgeschriebenen Stelle haben muss. Das macht es wirklich etwas relaxter.

Wasser bis zum Abwinken


Ach ja, was richtig cool ist, dass es hier überall Wasser gibt – und das für umsonst, und mit Nachschub ohne Ende. Das steht als ersten auf dem Tisch, und selbst in Museen oder Kinos gibt’s immer einen Ort, an dem man sich umsonst mit Wasser bedienen kann. Immer gekühlt. Und vor allem kein mürrischer Kellner, wenn man um eine Glas Leitungswasser zum Wein bittet. Kostenloses Wasser ist hier Standard. Hier könnte sich die deutsche Gastronomie wirklich eine Scheibe von abschneiden…

Soweit, so gut. Wie man sieht, alles gleich, und doch alles anders. Und auch wenn es mal wieder ein langer Roman ist, es gibt noch viele andere Bereiche, die ich hier aufzählen könnte. Nun denn – aber vielleicht macht das deutlich, dass es auch noch nach drei Monaten immer noch alles wie neu ist.

In zwei Monaten sitze ich auf Groß-Scherkenbach beim Weihnachtsbraten…

Bin schon sehr gespannt, wie ich die Dinge sehen werde, wenn ich wieder in einem deutschen Supermarkt stehe ;-)

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