Ein ganz spezieller Abschied: Abrissparty Haus 16b

Die Vergangenheit holt einen immer wieder ein - in diesem Fall aber in positiver Weise ;-)

Für viele, auch für mich selbst ist es nicht mehr so präsent - aber ich war nun ja nicht immer Web-Heini - bis zum 31. Lebensjahr arbeitete ich ja als Krankenpfleger in der Uniklinik.

Es ist derweil lange her, und das Gefühl, mich sofort wieder in den Kasack zu werfen und mich ans Krankenbett zu stellen oder Antibiotika zusammen mixen zu können ist langsam wirklich vorbei. Derweil müsste ich doch vieles wieder neu lernen. Aber durch den guten Kontakt zu Ludwig, Ute, Mirjam und andere alte Kollegen ist der Draht noch immer heiß, und das innere Gefühl, genau zu wissen, was eine Pflegekraft bewegt, und was diesen Beruf ausmacht, ist immer noch sehr tief drin...

Die Station Haus 16b war über 6 Jahre Stätte meines Wirkens. Die Arbeit mit HIV- und Krebskranken war sicher nicht trivial, aber sehr intensiv, vor allem da die Station über Jahre hinweg von hohen Idealen und einer patientenbezogenen Pflege geprägt war. Hier hatten auch alternative oder spirituelle Ansätze Platz, ohne natürlich die Schulmedizin zu übergehen, sondern sie zu ergänzen. Und vor allem - die Station lag in einem kleinem ausgelagertem Klinikgebäude, lediglich eine Bettenstation, hohe Zimmer, die meisten Zimmer mit Balkon, einfach ein schöner Ort. Hygienisch und logistisch betrachtet eher eine spezielle Anforderung, vom Gebäude und den Räumlichkeiten aber einfach was besonderes. Passte zu der Pflege, die dort stattfand.

Selbst zu Zeiten, als ich dort noch gearbeitet habe, war schon geplant, dass die Station irgendwann ins Bettenhaus ziehen wird. Na ja, die Mühlen mahlen langsam, aber jetzt war es soweit.

Vor zwei Wochen kam dann die Einladung zur "Haus 16 Abrissparty". Na, da musste ich hin. Gerade in meiner persönlichen Abschiedswelle passt das auch gut rein, zumal das eine gute Gelegenheit war, viele Gesichter noch mal auf einen Schlag zu sehen, die ich schon lange mal wieder sehen wollte, aber jeder wird es wohl kennen, wie das mit alten Bekannten ist.

Einfach lange her...

Ich war recht zeitig da, und es war einfach schön, die Leute von früher zu treffen - von Küchenfee bis zum Oberarzt viele alte Gesichter. Schon merkwürdig, den leer geräumten Aufenthaltsraum und das leere Stationszimmer zu sehen, aber eigentlich schon ein Ort von vielen, der heute keine sonderliche Bedeutung für mich hat. Und natürlich amüsant, dass sich vor dem Patientenaufzug der DJ aufgebaut hat, und im Flur ein nettes Buffet aufgestellt war. Ein großes Hallo mit den alten Kollegen, Fotos mit Ludwig auf der Arbeitsfläche sitzend (war im Arbeitsalltag einen fetten Anranzer eingebracht hätte). Einfach nett. Aber wirklich mit dem Gefühl, das ist echt Vergangenheit, und ich verfalle nicht in sentimentales Gedöns...

Irgendwann zu späterer Stunde, viele Gäste wären schon weg, die Musik war schon recht laut (eben Disco) habe ich es dann doch gemacht: Meinen letzten Rundgang durchs Haus 16b. Zimmer 103 (war irgendwann aus feuertechnischen Gründen in 121 umbenannt wurde). Hier lag Mirko, ein 22 jähriger Bluter, der mich nachts immer vom Tabletten stellen abgehalten hat, weil er einfach quatschen wollte, und der sich echt ums Leben betrogen vorkam, mit 12 Jahren an einer Blutkonserve infiziert, sich von seiner Rente ein Motorrad gekauft hatte, aber nie damit gefahren ist, da er einfach zu krank war, und der die letzte Woche vor seinem Tod sprachlos wurde.

Und so kamen mir in jedem Zimmer drei, vier oder mehr Gesichter in den Sinn, bei denen ich sofort Diagnose, Verlauf und Familiengeschichte erinnern konnte. Ich merkte zwar deutlich, dass derweil viele Namen aus dem Gedächtnis verschwunden sind, aber die Geschichten sind da - und wurden eben an dem Abend und auch jetzt beim Schreiben wieder sehr präsent!

Habe aber nicht lange ausgeharrt, eben wie zu Zeiten der Nachtdienste, manchmal hatte man Zeit für den Rundgang, manchmal musste man aber Gas geben, und ich war ja schließlich auf einer Party!

Na, und dann dachte ich, mach doch mal den Test, ob die gute Klingelanlage noch funktioniert - und sie ging - nicht zu hören, da die Musik zu laut war, aber zu sehen, die Lichtanzeige direkt vorm Stationszimmer leuchtete. Und binnen 10 Minuten brannte nicht in einem, sondern in fast allen Zimmer die Klingel - und nicht nur das, drückte man bei angeknipster Anwesenheitsleute noch mal die Klingel, wurde aus dem einfachen Leuten ein Blinken. So entwickelte sich in kurzer Zeit eine ganz individuelle Lightshow zur Abrissparty, über jedem Zimmer blinkten die Lämpchen rot und grün im Wechsel, und die zentrale Lichtleiste schien langsam zu versagen, da sie in ihrer ganzen Lebzeit eine solche Belastung noch nicht erlebt hat.

Es war sehr lustig, aber für mich war es wirklich weit weg. Für die Kollegen, die heute noch dort arbeiten, war es sicher extrem skurril - freitags Morgen noch Patienten betreuen, samstags Abend am selben Ort Party, wenn wundert es, dass irgendwann Kopfkissen auseinander gerissen wurden, und damit eine Schaumstoffschlacht statt fand.

Schöner Abschied, finde es schön, dass ich eingeladen war, im Stationszimmer gab noch einiges an Zettelchen und Beschriftungen, die noch aus meiner Zeit stammten - und das ist jetzt echt lange her - und irgendwann nachts plauderte ich dann noch mit Karen über gemeinsame Dienste, sie war damals Schülerin und hatte ein paar Situationen noch sehr präsent (glücklicher Weise positiv belegt ;-) ).

So, so komme ich doch ins schwelgen ;-) - Jetzt einmal Kehrtwendung - nächste Woche gehts nach Amerika, Blick wieder nach vorne. Aber der Blick nach hinten zeigt auch, dass es schon wirklich bewegende Dinge in meinem kleinen beschaulichen Leben gab.

Die Zeit verfliegt jetzt!

Noch zwei Tage für PuckPresse arbeiten, gestern war ich in Dortmund bei Jan Hellbusch, Danke für die Pizza, Donnerstag kommt dann Koffer packen, Freitag Wohnung her richten, Samstag ins Bergische, Sonntag Abschied feiern in Köln, und dann.... oh man, da ist jetzt echt nicht mehr lange. Ich bin super gespannt! Und so langsam kommt richtige Vorfreude auf!

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