Obama Popstar und Sitzstreik für die Homo-Ehe

Amerika steht Kopf - keine Ahnung, was man in Deutschland davon mit bekommt. Seit Dienstagabend, seit dem klar ist, dass Obama Präsident wird, ist in den Medien nichts anderes mehr zu sehen. Morgens in The View (das seriöse Original von Ralf Morgensterns Kaffeeklatsch) grinst Whoopi Goldberg freudig in die Kamera. Nachmittags sitzt bei Oprah Winfrey (schienbar eine der reichsten und einflussreichsten Frauen in Amerikas Entertainment-Branche und ganz deutlich und öffentlich für Obama!) Will Smith auf der Couch, einschließlich dessen Vater und Sohn im Publikum. Alle sind überglücklich! Und keiner kann es glauben, dass vor ein paar Jahrzehnten hier die Ehe zwischen Weißen und Schwarzen noch verboten war, nicht alle öffentlichen Orte für Farbige zugänglich waren. Regelmäßig werden Einspieler einer Rede von Martin Luther King gezeigt, welche diese historische Dimension noch mal unterstreichen.

Alle scheinen erleichtert zu sein und haben ganz große Hoffnung, dass nun endlich der große Wandel kommt, die Stagnation mit Bush endlich aufgebrochen ist. Sieht man Berichte, wie Sarah Palin nach Alaska zurück kehrt, scheint sie gar nicht so recht zu verstehen, dass die Republikaner nun so schlecht abgeschnitten haben. McCain scheint verschwunden zu sein, Sarah Palin ist hingegen weiterhin in den Medien zu sehen, sie scheint einfach zu dumm, und macht sich selber so lächerlich, dass die Fernsehsender blöd wären, wenn sie sich diese leichte Beute durch die Finger gehen lassen würden. Außerdem habe ich nie so viele Karikaturen eines Politikers gesehen wie von Sarah Palin in den letzen vier Wochen. Sie bietet sich schon sehr zur Witzfigur an!

George Bush will die Ämter jetzt sauber übergeben, wie gestern in den News kommentiert, scheint er sehr genspannt und locker, fast erleichtert zu sein, schienbar war er mit dem Job auch durch, nach acht Jahren braucht man ja auch mal Veränderung ;-).

Obama hingeben wird wirklich gefeiert wie ein Popstar - was ich vor der Wahl nicht wahr genommen hatte, es gibt diverse Popsongs, die für Barack Obama geworben haben, und selbst ein Tag nach der Wahl war bereits ein Song über den Wahlsieg dar. Am Ende des Berichts ist ein Song zu sehen, wie man viele in youtube.com finden kann!

Niederlage für die Homo-Ehe



Ein ganz anderes und dramatisches Thema neben dem Wahlsieg von Obama ist die gewonnene Proposition8. Mit dem Sieg dieses kalifornischen Bürgerbegehrs wird Schwulen und Lesben das Recht auf Heirat wieder entzogen. Fatal, da es erst in Mai diesen Jahres durch gesetzt wurde und in der Zeit 1000de Paare sich in das Bund fürs Leben gegeben haben. Frage mich, welche rechtlichen Konsequenzen das nun für diese Paare haben wird. Aber ganz davon ab: Noch in der Wahlnacht, und noch vor Bekanntgabe der Ergebnisse zu dieser Abstimmung (da es klar war, dass es knapp werden würde), wurde auf der Wahlpartybühne im Castro angekündigt, dass man auf jeden Fall weiter für das Recht streiten werde.

So geschah es gestern. Gegen 18:00 sah ich im Fernseher, wie die ersten Demonstranten interviewt wurden. An der City-Hall war die Aufstellung und 1000de von Prop8-Gegener marschierten über und blockierten damit auch die Market-Street, eine der zentralen Verkehrsadern der Stadt. Ziel war das Castro und dann der Mission-Dolores-Park zu einer kleinen Kundgebung. Hier genieße ich mal wieder meine grandiose Wohnlage. Vor drei Wochen war im Dolores-Park noch ein Red-Bull-Seifenkistenrennen, heute dort die Kundgebung - und zu Fuß sind es gerade mal zwei Minuten. Und auch wenn er lehr ist, ist es einfach ein wunderschöner Park!

Habe mir also den Fotoapparat geschnappt und kam passend an. Von der anderen Seite strömten gerade die Demonstranten in den Park und bewegten sich in Richtung des kleinen DJ-Pults, an dem später ein paar kurze, aber deutliche Statements abgegeben wurden. So viele Leute es auch waren, so klein ist die Stadt dann auch. Ich laufe Rodrigo in die Arme, mit dem ich ohnehin am Abend locker auf ein Bier verabredet war. Wie die Demo nun weiter geht, ist nicht ganz klar. Aber hier auflösen wäre bei der aufgeheizten Meute nicht denkbar gewesen. So zieht der Zug den kompletten Weg wieder zurück zur City-Hall, an dem später auch noch mal lauthals das Recht auf die Homo-Ehe eingefordert wurde. Ich werde eher ungeplant zum Teil dieser Demo. Ich gehöre sicher nicht zu den großen Aktivisten, bin aber beeindruckt, wie viele Leute und mit wie viel Energie hier die Menschen für ihr Recht eintreten. Traurig, dass es bei einzelnen dann auch kippt. Ein Demonstrant, der kein Verständnis für einen LKW hat, der sich durch die Zugstrecke quetscht, ist schienbar so aggressiv und schlägt mit seiner Regenbogenfahne beziehungsweise mit der Holzstange, an dem die Fahne hängt, auf den LKW ein...

Die Demo an der City-Hall scheint sich allerdings jetzt langsam aufzulösen. Wir fahren mit der Muni (der U-Bahn von San Francisco) zurück Richtung Church und genießen dort Essen der chinesischen Küche. Als wir zwischen 10 und 11 das Restaurant verlassen, sind wir etwas überrascht, dass immer noch die Hubschrauber am Himmel hängen, welchen den ganzen Abend die Demo von oben begleitet haben. Als wir zur Castro-Straße kommen, sehen wird, dass die Durchfahrt immer noch von Polizisten unterbunden ist - von weitem sehen wir, dass hier noch jede Menge Leute auf der Castro-Street sind. Im ersten Moment weiß man nicht, was da jetzt blockiert, ob es einfach nur jede Menge Party-Gäste sind, die einfach zu viel Raum auf der Straße einnehmen.

Beim Näherkommen erkennen wir aber, dass die Demonstration von vorhin noch nicht zu Ende ist. Der offizielle Teil ist das jedoch nicht mehr. Die Wut auf die gewonnene, aus der Sicht der Homo-Ehe verlorene Prop8 scheint so groß, dass man sich hier spontan zu einer Sitzblockade entschieden hat. Auf der Straßenkreuzung von Castro und 18TH Straße sitzen schätzungsweise 200 Leute, eben soviel stehen noch mal drum herum. Kamerateams auch hier wieder vor Ort, weiterhin werden die Parolen gerufen, man will die Forderung scheinbar jetzt aussitzen. Ein paar Meter weiter sind bereits die Einsatzwagen angerückt, die Polizisten stehen dort mit Helmen und Schlagstöcken, rücken der ganzen Meute etwas näher, nehmen aber dann auch wieder Abstand und stecken die Köpfe zusammen, um zu besprechen, wie es nun weiter geht.

Betroffen sind an der Stelle auf jeden Fall zwei Buslinien, die Linie 24 und 33 - beides Strecken, die schon ganz entfernte Teile der Stadt mit einander verbinden. Und da die Busse mit Stromabnehmern am oberen aufgespannten Stromnetz hängen, ist ein Umfahren der Blockade auch nicht trivial. Amüsant an der Stelle die Transe in der Mitte der Sitzblockade, die bei einem solchen Anlass hier in San Francisco natürlich nicht fehlen darf. Frage mich noch, ob sie eine Redeführerin ist. Ich schätze aber eher, dass sowohl Highheels also auch der Rock nicht dazu ausgerichtet sind, sich mitten auf einer normalen Straße hinsetzen zu können - so muss sie leider ihre Sitzblockade im Stehen abhalten.

Das Polizeiaufgebot finde ich persönlich etwas beunruhigend, frage Rodrigo, was denn jetzt hier zu erwarten sei, ob, wann und wie die Polizisten eingreifen würden. Seiner Einschätzung nach wird das alles friedlich ablaufen. Die Staatsdiener werden wahrscheinlich bis 2 Uhr in der Nacht aushalten - das ist die Zeit, in der auch die Bars und Diskotheken schließen und Reinigungs- als auch Müllfahrzeuge kommen. Wenn diese dann behindert werden, würden die Polizisten wohl auch was tun. Aber kann auch sein, dass die bis dahin noch Verbliebenen den Platz räumen werden, da nicht alle bis zum Ende aushalten, und sich so ernsthaft auch keiner mit der Polizei anlegen will.

Nun denn. Damit beunruhigen mich die Polizisten nicht mehr ganz so. Bin aber wirklich ein wenig beeindruckt von der Energie der Leute. Hier scheint immer noch ein Hauch von Flower-Power in der Luft zu liegen. Ein Gefühl von Zusammenhalt und 68er und so weiter - schon ein besonderer Fleck Erde hier...

We Are The Ones Song by will.i.am - Obama





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