Zurück in San Francisco

Die Vorbereitungen waren dann doch gedrungener als erwartet. Kurzfristig hat sich ein Untermieter für meine Wohnung aufgetan, und meine stille Erleichterung, meine Wohnung nicht aufzuräumen und bis in den letzten Winkel putzen zu müssen, war dahin. Ich bin in diesen Momenten immer wieder überrascht über mich selber. Eigentlich stand für Montag und Dienstag nichts auf dem Programm, dann ergaben sich kurzfristig für beide Tage noch Meetings beim WDR, für Montagnachmittag ein weiterer Akquise-Termin in Bonn, selbst am Montagvormittag meldete sich ein alter Bekannter mit dem Wunsch, sich für seine Homepage noch vor meiner Reise zusammen zusetzen. Was wir dann am Montagabend noch getan haben. Und zwischendurch eben den Feudel schwingen. Und der Untermieter war für Dienstag um 15:00 angekündigt, also, sogar schon ein Tag vor meiner Abreise.

Ach ja, und Kofferpacken muss dann ja auch noch getan werden. Aber irgendwie, ohne jetzt irgendwelche Zeitpläne zu machen, bekomme ich es umso besser hin, umso mehr auf dem Plan steht. Irgendwas in mir scheint das automatisch zu koordinieren, ich stehe selber in der Situation da, wunder, dass das dann alles so geschmeidig und stressfrei läuft. Und pünktlich, Dienstag um 14:45 waren die frischen Badezimmerteppiche ausgeworfen, der Kleiderständer verstaut, Altglas und Papiermüll entsorgt, und sogar die Squash-Tasche gepackt, da es sicher für den letzen Abend in Köln keine gute Idee gewesen wäre, nichts vorgehabt zu haben. Na, gerade beim Koffer packen habe ich gemerkt, dass ich mich im letzen Sommer tatsächlich von viel Kram gelöst habe, und umso weniger in den Schränken hängt, umso einfach ist letztendlich das Packen.

Am Mittwochmorgen mit dem ICE nach Frankfurt. Schon beim Check-In wurde mitgeteilt, dass der Flieger zwei Stunden Verspätung haben wird. Wie nervig, die Zeit war ohnehin gut bemessen, jetzt waren 4 Stunden warten angesagt. Und, was am Flughafen sehr auffällig war – in Köln nahm man seit der Bundestagswahl die Polizeipräsenz in der Nähe aller wichtigeren U-Bahnhöfe wahr – hier waren an allen Ecken grüne Männchen im Doppelpack zu sehen, eins davon stets mit der Maschinenpistole auf dem Arm, nicht im Anschlag, aber scheinbar so in der Hand, dass man unverzüglich bereit ist, jemanden damit in Todesangst zu versetzen. Ich habe keine Angst vorm Fliegen oder dass dort ein Terrorist gerade in meiner Maschine sitzt, aber hier hat man schon Respekt. Na, und ich frage mich, ob da Guido und Angela in Berlin bei ihren Verhandlungen daran denken, wie sie ihre Außenpolitik gestalten werden, oder auch, ob es jetzt eine tatsächliche Terrorgefahr gibt oder ob dies nur übersensible Vorsichtsmaßnahmen sind…

Nun, im Flieger sitze ich derweil wie in der Straßenbahn zwischen Wohnung und Arbeit. Wenig aufregendes, fast alltäglich, und auch wenn die 11 Stunden Flug irgendwann einen Moment haben, als ob sie nie vorbei gehen wollen, so ist man innerlich auf die Dauer eingestellt, dann geht’s doch ganz schnell. Sitze wie bei den letzen Malen in einer der letzen drei Reihen, weil dort die Maschine schmaler wird und keine drei Sitze mehr, sondern nur noch zwei in der Reihe sind. Wenn man eventuell Glück hat, bleibt der Platz neben einem frei. Dieses Glück hatte ich leider nicht, aber weil die Maschine ja nur langsam schmaler wird, hat man zwischen sich und dem Fenster einfach noch mal viel Platz, und kann sich ein wenig häuslich einrichten ;-). Ich habe mal von einem Vielflieger gelesen „Niemand der oft fliegt, will am Fenster sitzen, sondern einfach nur die Beine im Gang austrecken können und schnell am Ziel sein“. Das geht mir anders. Am Fenster sitzen ist gigantisch, gerade, wenn man über Grönland fliegt, und die Eisberge von oben sieht, oder später das amerikanische Niemandsland, in dem trotz alledem die Felder in riesigen Quadraten aufgeteilt sind. Da klebe ich gerne mit der Nase an der Scheibe.

Endlich angekommen dauert es, bis die Koffer da sind. Dann gehe ich – dank meiner Greencard – an den Schalter für US-Bürger und dauerhafte Bewohner der USA. Schon cool. Und gerate dieses Mal an einen sehr dienstbeflissenen Officer, schätzungsweise um die 30. Ehrlicher Weise, über diesen Moment hatte ich gar nicht nach gedacht, habe also die Frage, was ich drei Monate in Deutschland gemacht hätte, mit „gearbeitet“ beantwortet, was ihn nun etwas in Rage brachte, weil, ich hätte ja nun die Greencard, damit solle ich besser hier in den Staaten arbeiten und nicht im Deutschland, und wenn ich das nicht ändern würde, dann wäre die Karte ganz schnell weg. Eine verlegene, sagen wir es nicht Lüge, aber Noterklärung, ich wäre ein Jahr hier gewesen und hätte keine Arbeit gefunden, und hätte deswegen erst mal wieder in Deutschland Geld verdienen müssen, brachte uns nicht weiter, und nach einer fetten Ermahnung bekam ich den Stempel in den Reisepass mit einem Kürzel versehen. Nun er Recht hatte, und sofort war der Gedanke wieder da, die Greencard ganz offiziell wieder abzugeben, um damit alle Verbindlichkeiten, die neben der Freiheit eben auch an der Karte hängen, wieder aufzulösen.

Endlich, raus, Freude, raus zu den draußen Wartenden - und - kein Keas da. Beschissener Moment, hatte jetzt mit allem gerechnet. Aber nicht damit. Ich werfe einen Blick nach draußen, vielleicht raucht er ja gerade eine, nein. Oder ihn hat die Nachricht nicht erreicht, dass der Flieger verspätet kommt? Mein deutsches Handy hat keinen Empfang, und mein US-Handy ist noch nicht wieder angemeldet. Suche etwas verwirrt ein Telefon, als ich gerade die Kreditkarte in den Automaten stecken will, taucht Keas auf. Und wir begrüßen uns. Bis zu dem Punkt und die ganze Zeit im Flieger hatte ich mich gewundert, dass ich so wenig sehnsüchtig war und ziemlich un-aufgeregt. Na, jetzt scheinen sich alle nicht gemeldeten Sehnsüchte vereint zuhaben und schießen gemeinsam an die Oberfläche. Und ich kann mir ein paar Tränchen auch nicht verkneifen! Ich glaube, man nennt das, überwältigt zu sein!

Wir fahren mit der BART in die Stadt, und es ist jetzt fast, wie ich erwartet habe: Als ob gestern noch hier gewesen. Mit ist alles so vertraut, bis auf die Tatsache, dass der Preis für die einfach Fahrt vom Flughafen bis in die Stadt statt 5,35 Dollar jetzt 8,10 Dollar kostet. Hammer. Ich frage mich, was los wäre, wenn die Bundesbahn von heute auf morgen ihre Preise um fast 50% erhöhen würde?! Nun denn, und gleichzeitig das Gefühl, ich bin „nur“ sechs Wochen hier, also, ich fühle mich auch deutlich als Touri. Dann wieder doch nicht, da sich heute, nach drei Tagen bereits ein gewisser Alltag eingestellt hat, in dem auch schon Arbeit vorkam (bevorzugt dank Jetlag in den Morgenstunden zwischen 5 und 9), ich jetzt nicht sofort los rennen muss, um alles Mögliche zu sehen, sondern einfach den Tag auch einfach den Tag sein lassen kann. Komme mir auch nicht vor, wie am andern Ende der Welt, sondern einfach nur wo anders und um die Ecke – genieße die Zeit und bin froh, dass ich die Entscheidung getroffen habe, so schnell wieder hier her zu kommen.

Na, und trotzdem wollte ich der Stadt standesgemäß "Guten Tag" sagen. Bin gestern mit der N-Linie zum Ocean-Beach gefahren, das hat schon alles was von Déjà-vu, über die Churchstreet zu fahren, wo ich eine Zeitlang fast täglich war. Oder die kleinen Häuschen im „Sunset“ (dem Wohngebiet zum Pazifik hin) zu sehen, wie hübsch. Und verrückte Leute an jeder Ecke, hatte das fast schon vergessen, und eben auch der große Mix aus unterschiedlichen Nationen und Hautfarben. Nach drei Monaten Abwesenheit fällt mir das erst mal wieder richtig auf, dass der Unterschied zu Köln doch massiv ist. Aber nicht nur was die „Diversity“, was wir mit Multi-Kulti bezeichnen, sondern auch die Menge an abgewrackten Leuten auf der Straße. Ich weiß, das habe ich hier immer wieder geschrieben, aber gerade jetzt Mitte Oktober scheint der meiste Touristen-Strom aus dem alltätlichen Stadtbild verschwunden zu sein. Und übrig bleiben – so zumindest auf einem Abschnitt auf der Marktet Street zwischen 6. und 9. Straße – scheinbar nur noch Drogenverstrahle und Obdachlose. Krass.

Der gestrige Nachmittag am Ocean Beach war dann anders. Erstaunlich viele Leute und traumhaftes, sonnencremeforderndes Wetter. Einfach schön. Mal so, wie man sich Kalifornien vorstellen, Beach Boys, Surfer, Jogger und ein entspanntes leben am Wasser. Habe mein erstes US-Handy wieder aktiviert, und finde dort SMS aus vergangenem Herbst. Witzig, bringt mich gerade sehr nahe an meinen ersten Aufenthalt und zum schmunzeln, und auch ganz schnell wieder zurück!

Ja, San Francisco, ich bin wieder da! Freue mich auf die nächsten Wochen! Mir geht’s schon gut… so, und nun geht’s raus in die Sonne, das nennt man Indian Summer hier!

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